Stromkunden: Verbraucherschützer fordern Wahlfreiheit

Zwangsdigitalisierung ist ein Irrweg: Größere Haushalte sollen ab 2020 verpflichtend mit intelligenten Strom-Messsystemen ausgestattet werden. In Kombination mit einem variablen Stromtarif können sie dadurch von den Schwankungen des Großhandelspreises für Strom profitieren. Doch Verbraucherschützer warnen davor.


Zwangsdigitalisierung ist ein Irrweg: Größere Haushalte sollen ab 2020 verpflichtend mit intelligenten Strom-Messsystemen ausgestattet werden. Das sehen die Beschlüsse zum Strommarktgesetz und zum Digitalisierungsgesetz der Bundesregierung vor. In Kombination mit einem variablen Stromtarif können sie dadurch von den Schwankungen des Großhandelspreises für Strom profitieren. Die Gesetze sollen im Dezember 2015 dem Bundesrat und Ende Januar 2016 dem Bundestag vorgelegt werden.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht jedoch kaum Nutzen für Verbraucher und fordert: Verbraucher müssen bei Tarifen und Messgeräten wählen können. Die Idee: Ist der Strompreis niedrig, weil gerade viel Strom aus Wind- und Solaranlagen zur Verfügung steht, können Stromkunden auch mehr elektrische Energie verbrauchen. Ist in Zeiten ohne Wind und Sonne der Strompreis hoch, schränken Stromkunden ihren Verbrauch ein. Damit könnten sie den Strom vor allem dann nutzen, wenn er günstig ist.

Aus Sicht des vzbv wird die Praxis allerdings anders aussehen. "Die Bundesregierung hat ein schönes Bild von der digitalen Stromwelt gemalt, in der Haushalte ihren Stromverbrauch steuern und dadurch Geld sparen können. Dieses Bild hält jedoch dem Realitäts-Check nicht stand. Denn sowohl die Zahlen als auch die Wünsche der Verbraucher sprechen eine andere Sprache", sagt Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).

Eine aktuelle Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) im Auftrag des vzbv untersucht die Auswirkungen der geplanten Änderungen auf die Strompreise. Das Ergebnis: Für den Großteil der Verbraucher lohnt sich der Umstieg auf intelligente Messsysteme und variable Stromtarife finanziell nicht.

Da intelligente Messsysteme teuer sind und Verbrauchern die Kosten in Rechnung gestellt werden, zahlen die meisten sogar mehr als vorher. Nur für Haushalte, die über energieintensive Speicherheizungen verfügen, zahlt sich der Wechsel finanziell aus. "Die Bundesregierung verkauft intelligente Messsysteme als Sparstrumpf. Für die meisten Haushalte sind die Geräte aber nicht mehr als teures Spielzeug. Wirklich Geld sparen können nur Großverbraucher", so Klaus Müller.

Eine repräsentative Meinungsumfrage des Instituts forsa zeigt zudem: Viele Verbraucher stehen variablen Stromtarifen skeptisch gegenüber. Besonders wichtig wäre 66 Prozent der Befragten, dass variable Tarife auch tatsächlich Kostenersparnisse mit sich bringen. 42 Prozent geben an, dass ihnen der Schutz ihrer Daten wichtig wäre. Sorgen bereiten Verbraucherinnen und Verbrauchern vor allem schwankende Preise, die dazu führen könnten, dass die Stromkosten nicht kalkulierbar sind.

Der vzbv fordert von der Politik eine Wahlfreiheit der Verbraucher beim Umstieg auf intelligente Messsysteme und variable Stromtarife. Da die Messgeräte mit erheblichen Mehrkosten von jährlich bis zu 100 Euro verbunden sind, die selbst in Kombination mit einem variablen Stromtarif nicht kompensiert werden können, darf die Bundesregierung den Einbau nicht vorschreiben. "Zwang ist der falsche Weg. Ob der Umstieg auf intelligente Messsysteme und variable Stromtarife sinnvoll ist oder nicht, kann nur jeder selbst entscheiden", so Müller. (vm/en-wid)