South by Southwest: Die Autoindustrie zwischen Kultur und Provokation

Die CES sei beinahe ein bisschen konventionell geworden, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche - und dabei hatten wir uns gerade an den Beginn des automobilen Jahres in Las Vegas gewöhnt, dort, wo Elektronik und Automobiltechnik zusammentreffen.

Die CES sei beinahe ein bisschen konventionell geworden, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche - und dabei hatten wir uns gerade an den Beginn des automobilen Jahres in Las Vegas gewöhnt, dort, wo Elektronik und Automobiltechnik zusammentreffen. Aber es geht eben noch ungewöhnlicher: Wir befinden uns in Austin im US-Staat Texas, und dort findet im März eine ganze Woche lang die ,,South by Southwest", kurz SXSW, statt - eine Konferenz mit Festivalcharakter, bei der Start-Ups, Medien, Kunst- und Musikszene zusammentreffen und sich über die neuesten Trends austauschen.

Das Automobil spielt hier nur eine Nebenrolle: Wer Veranstaltungen und Workshops zum Thema Mobilität finden will, muss den Festivalkatalog - oder die interaktive App - einem gründlichen Studium unterziehen. Für die Industrie ist die SXSW Neuland, einige Hersteller sind zum ersten Mal hier, die meisten fehlen.

Trotzdem kann das Festival bereits mit einer Weltpremiere aufwarten: Das chinesische Startup-Unternehmen Nio, das weltweit schon 2000 Mitarbeter beschäftigt, zeigt die Studie Eve - ein vollelektrisches und autonom fahrendes Raumkonzept, das voller pfiffiger Ideen steckt. Dazu gehören eine Verglasung, die an Hubschrauber erinnert und beispielsweise auch den Blick nach vorne unten ermöglicht oder eine ,,5+1"-Bestuhlung inklusive Notsitz. Im autonomen Modus verschwindet das Lenkrad, der Eve lässt sich nach Wunsch jedoch auch vom Fahrer bewegen.

Und zwar äußerst dynamisch - dies jedenfalls lässt die Firmenhistorie vermuten. Nio (bislang NextEV) hat sich mit sportlichen Höchstleistungen bereits einen Namen gemacht. In der Formel E hat der Hersteller für die Saison 2016/17 Konstrukteursstatus erhalten. Und der vollelektrische, 1360 PS starke Supersportwagen EP9, der bereits in sechs Einheiten gebaut und verkauft wurde, hat auf der Nürburgring-Nordschleife eine Rekordrunde von 7:05.120 hingelegt. Auf der Rennstrecke Circuit of the Americas wurde im Februar im autonomen Betrieb eine Rekordrunde geschafft. Gezeichnet wurde der EP9 vom renommierten Designer David Hilton.

Nio will 2018 in China mit einem Serienmodell in Form eines vollelektrischen SUV kommen; 2020 soll der Marktstart in den USA folgen. Mit dem Launch in Europa will man sich noch etwas Zeit lassen. Gemeinsam ist allen Nio-Modellen die Fähigkeit zum autonomen Fahren.

Darum geht es bei der SXSW auch anderen Herstellern. Der Wettlauf um das selbstfahrende Auto und die technischen, ethischen und regulatorischen Herausforderungen, die damit zusammenhängen, werden in Vorträgen und Podiumsdiskussionen zum Thema gemacht. Dabei berichtet der Nissan-Forscher Marten Sierhuis zum Beispiel von der Notwendigkeit, die soziale Akzeptanz autonomer Fahrzeuge zu steigern: Die Zahl der Situationen, die von der Technik auf absehbare Zeit nicht beherrscht werden kann, sei immens. ,,Wenn wir zu komplett autonomem Fahren kommen wollen und die Fahrzeuge nerven, dann werden wir keine Akzeptanz bekommen", warnt Sierhuis.

Und deshalb will er autonome Fahrzeuge von einem ,,Mobility Manager" überwachen lassen, der in einer Zentrale sitzt und von dort aus auf Basis der Sensor- und Kameradaten ins Geschehen eingreifen könnte. Eine Person könne am Anfang rund 100 Autos überwachen - mit mit zunehmend besseren Systemen in Zukunft deutlich mehr.

Der Schutz vor Hackern beschäftigt die SXSW ebenfalls. Die Diskussion wird durch die CIA-Hacks befeuert, die auf der Plattform Wikileaks veröffentlicht wurden und belegen, dass sich die Regierungen auch mit der Sicherheit autonomer Fahrzeuge beschäftigen. Als noch problematischer könnten sich Software-Fehler erweisen, denen man durch selbstlernende Programme begegnen will.

Bei allen ernsthaften Diskussionen geht es auch um Spaß und Lifestyle. Mit Mazda tritt eine Marke als Sponsor auf, bei der autonomes Fahren praktisch keine Rolle spielt - und die Daimler-Tochter Smart setzt vor allem auf Elektrifizierung: Schon nächstes Jahr soll es in den USA keine konventionell angetriebenen Smart-Typen mehr geben. Im ,,House of Smart" päsentiert sich die Zukunft der Marke als Experimentierlabor und Vorreiter für den Daimler-Konzern.

Zur SXSW gehört auch die Provokation: Bei einer Podiumsdiskussion im ,,German Haus" behauptet Christoph Bornschein von der Berliner Agentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr (TLGG), es sei egal, ob das Auto in Zukunft noch Statussymbol sei. Und im Anschlussgespräch stellt Jochen Wegner von ,,Zeit Online" Dieter Zetsche eine ,,schwierige Frage": Ob er den Namen Donald Trump aussprechen könne? Er muss lernen, dass der Daimler-Chef kein Problem damit hat, den Namen des Unaussprechlichen zu äußern.

South by Southwest (SXSW) und Mercedes-Benz werden jedenfalls den Diskurs aus Auzstin nach Frankfurt tragen. Daimler hat inzwischen angekündigt, auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt im September 2017 gemeinsam mit SXSW die ,,me Convention" zu organisieren, eine Konferenz, die dem gesellschaftlichen Diskurs über relevante Zukunftsthemen neue Impulse geben soll. Die ,,me Convention" findet vom 15. bis 17. September in der Frankfurter Festhalle statt, der traditionellen Bühne des Mercedes-Benz-Messeauftritts auf der IAA. Das Programm wird ergänzt um Konzerte und andere Veranstaltungen im Stadtzentrum. ,,Wir gehen damit weit über die Grenzen der traditionellen Automessen hinaus und laden alle Teilnehmer zu einem Austausch von Wissen, Meinungen und Gedanken ein", so Dieter Zetsche zum neuen Projekt. Man lernt. (ampnet/jm)