Stammzellen reagieren auf Infektionen

Bei schweren Infektionen muss der Körper die Produktion von weißen Blutzellen erhöhen, um die Krankheitserreger abzuwehren. Zuständig dafür sind die Blutstammzellen im Knochenmark. Diese Zellen, die sich lebenslang selbst erneuern, bilden sämtliche Zellen des Blutsystems. Doch wie schaffen sie es, je nach Bedarf die notwendigen Zellen in geeigneter Zahl zu produzieren?


Bei schweren Infektionen muss der Körper die Produktion von weißen Blutzellen erhöhen, um die Krankheitserreger abzuwehren. Zuständig dafür sind die Blutstammzellen im Knochenmark. Diese Zellen, die sich lebenslang selbst erneuern, bilden sämtliche Zellen des Blutsystems. Doch wie schaffen sie es, je nach Bedarf die notwendigen Zellen in geeigneter Zahl zu produzieren? Dieser Frage geht die Gruppe von Markus Manz, UZH-Professor für Hämatologie und Direktor der Klinik für Hämatologie des Universitätsspitals Zürich, nach. Sie erforscht, wie die Signale der Infektion in Signale für die Blutbildung übersetzt werden.

Die Wissenschaftler konnten bereits letztes Jahr nachweisen, dass die Zellen der Gefässwände bei der Infektabwehr Wachstumsfaktoren produzieren und damit die Blutbildung ankurbeln. Jetzt ist ihnen der Nachweis gelungen, dass Blutstammzellen auch selbst in der Lage sind, bakterielle Infekte zu erkennen und darauf zu reagieren: "Im lebenden Organismus konnten wir erstmals beweisen, dass Blutstammzellen Rezeptoren haben, die Infektionen wahrnehmen. Dadurch werden ruhende Zellen aktiviert, beginnen sich zu teilen und produzieren so mehr Abwehrzellen", so Manz. Bisher nahm man an, dass sich Blutstammzellen in einem völlig von Umweltsignalen geschützten Raum im Knochenmark befinden, in der sogenannten Blutstammzellnische.

Dieses jetzt entdeckte Wahrnehmungssystem dürfte sich in der Evolution als vorteilhaft erwiesen haben, um dem Organismus einen Überlebensvorteil zu verschaffen, schätzt Manz. Doch dieser Prozess hat auch eine Kehrseite: Längerfristig treten durch die Reaktion auf Infekte Schäden in den Blutstammzellen auf, die ihre Regenerationsfähigkeit beeinträchtigen und sie weniger fit für die weitere Blutbildung macht. Das könnte erklären, weshalb chronisch wiederkehrende Entzündungen oder Infekte dazu führen, dass sich im Alter häufiger bösartige Erkrankungen der Blutstammzellen entwickeln. "Wenn der Körper mit einer starken Reaktion überleben kann, nimmt er einen späteren Schaden in Kauf. Unser Ziel ist es, solche Schäden durch präventive Interventionen zu verhindern", erklärt Manz.