Kommentar: R1234yf - eine offensichtlich unendliche Geschichte

Zum wiederholten Mal gerät der Streit um R1234yf an Fahrt.

Zum wiederholten Mal gerät der Streit um R1234yf an Fahrt. Seinen Anfang nahm er vor zwölf Jahren mit der europäischen Richtlinie 2006/40/EG. Damals hatte das Europäische Parlament dem gebräuchlichen Kältemittel R134a in automobilen Klimaanlagen den Krieg erklärt. Grund: Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), wozu auch R134a gehört, gelten als besonders rabiate Klimakiller und sind erheblich an der Entstehung des Treibhauseffekts beteiligt. Schon vor Jahren waren sie daher als Kältemittel aus Kühlschränken oder Treibgase aus Spraydosen verbannt worden. Nun sollten sie auch aus den Klimaanlagen in Autos verschwinden. Spätestens 2016 sei Schluss.

Beherrschte zunächst noch Kohlendioxid als besonders umweltfreundliches Kältemittel in der Automobilindustrie die Diskussion bei der Suche nach einem Ausweg, zauberten die beiden amerikanischen Chemiegiganten Dupont und Honeywell ein neues Kühlmittel namens Tetrafluorpropen (Handelsname: R1234yf) aus dem Hut mit einem - abgesehen von CO2 - augenscheinlich unschlagbar günstigen Einfluss auf die Umwelt. CO2 als Kältemittel nahm wegen absehbar hohem Entwicklungsaufwand vorerst auf der langen Bank Platz.

Doch dann hagelte es Kritik. Crashversuche bei Daimler ließen den Schluss zu, dass von R1234yf eine erhebliche Brandgefahr ausgehen könnte. Und als ob das nicht schon ausreichend für ein Verbot des Mittels gewesen wäre, kamen weitere Gutachten mit verheerenden Urteilen ans Tageslicht. Gerät es zum Beispiel in Brand, entsteht neben lebensgefährlichem Fluorwasserstoff gleichzeitig hochgiftiges Carbonylfluorid, ein Abkömmling des Kampfstoffs Phosgen, bekannt aus dem Ersten Weltkrieg und von der Genfer Konvention verboten. Außerdem verwandelt es sich in der Atmosphäre vollständig in Trifluoressigsäure, einem äußerst langlebigem Pflanzengift. Fortan sprach die Zeitschrift "Auto Bild" nur noch treffend vom "Killer-Kältemittel".

Doch davon unbeeindruckt drückte die EU-Obrigkeit ein Verbot der alten Klimaanlagen Substanz R134a durch und setzte gegen Deutschland sogar ein Vertragsverletzungsverfahren in Gang, weil es seine Autobauer nicht mit gebührender Durchschlagskraft gezwungen habe, sich zu beugen.

Doch wie sich jetzt herauszustellen scheint, war die sonst so umweltbewusste EU-Kommission (Beispiel: Stickoxide, Dieselmotoren, CO2) diesmal auf dem falschen Dampfer. In einem Interview mit der Tageszeitung ,,Frankfurter Rundschau" beklagte Maria Krautzberger, Bundesumweltamt-Präsidentin in Berlin, jetzt die möglichen negativen Folgen der Verwendung des Kältemittels für unsere Trinkwassergewinnung. ,,Wir beobachten mit Sorge den verstärkten Einsatz von R1234yf in Pkw-Klimaanlagen und auch in stationären Kälteanlagen." Das sei problematisch, da diese Chemikalie und ihr Zerfallsprodukt Trifluoressigsäure auch in die Umwelt gelangten und im Wasser schwer abbaubar seien. Sie halte daher einen ,,Verzicht auf fluorierte Kältemittel wie R1234yf für die richtige Antwort". Trifluoressigsäure gilt als extrem gesundheitsschädlich beim Einatmen, verursacht schwere Verätzungen und ist auch in Wasser verdünnt sehr schädlich.

Bislang galt Trinkwasser aus deutschen Hähnen als das hier zu Lande am besten kontrollierte und in punkto Gesundheit über jeden Zweifel erhabene Lebensmittel. Dieser Erkenntnis verpasste erst vor ein paar Tagen der Europäische Gerichtshof einen Dämpfer, in dem er Deutschland wegen zu hoher Nitratbelastung im Grundwasser verurteilte. Dabei muss sich wegen erhöhtem Nitratgehalt derzeit niemand Sorgen um seine Gesundheit machen. Zwar wird Trinkwasser zu einem großen Teil aus Grundwasser gewonnen. Die Wasserversorger stellen jedoch sicher, dass der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter im Trinkwasser eingehalten wird. Mit Trifluoressigsäure gelingt ihnen das nicht so einfach.

Da drängt sich doch die Frage auf: Wann geht der Europäische Gerichtshof gegen die EU-Kommission vor? (ampnet/hrr)