Automobilindustrie zeigt sich vorsichtig optimistisch

"Unsere Prognosen sind hinreichend sicher", entgegnete Bernhard Mattes, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), auf die Vorhaltung, ob denn die Androhung des US-Präsidenten Donald Trump von Steuern auf Automobile und eine schwache deutsche Regierung die Vorhersagen des Verbands zur Entwicklung der Automobilmärkte nicht in Frage stelle.

"Unsere Prognosen sind hinreichend sicher", entgegnete Bernhard Mattes, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), auf die Vorhaltung, ob denn die Androhung des US-Präsidenten Donald Trump von Steuern auf Automobile und eine schwache deutsche Regierung die Vorhersagen des Verbands zur Entwicklung der Automobilmärkte nicht in Frage stelle. Die Politik ist angekommen bei der Pressekonferenz des VDA in Berlin zur Vorbereitung der Nutzfahrzeug-IAA vom Donnerstag, 20. bis Donnerstag, 27. September 2018 in Hannover. Früher ging es nur um Autos.

Es gibt auch mehr als ausreichend hausgemachte Probleme. So leitete der VDA-Präsident die erste Pressekonferenz in seinem Amt ein mit der Bemerkung: ,,Wir haben massiv an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren. Das bewegt mich auch persönlich." Der VDA arbeite daran, neues Vertrauen zu gewinnen und die Glaubwürdigkeit zu stärken. Das brauche Zeit. "Wir müssen liefern, was wir versprochen haben", sagt Mattes.

Zwei Pfeiler sieht Mattes für den Erfolg der deutschen Automobilindustrie: Innovation und Internationalisierung. Als die großen Herausforderungen nennt der VDA-Präsident den Diesel und die Luftqualität, den Ruf der Branche, die CO2-Regulierung nach 2020 sowie den Umgang mit der Elektromobilität und alternativen Antrieben sowie die Digitalisierung, die Vernetzung und das automatisiertes Fahren.

Mattes liefert ein deutliches Plädoyer für den Dieselmotor. Moderne Diesel seien notwendig, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Doch die Debatte um mögliche Fahrverbote habe im Markt Spuren hinterlassen, erläutert Mattes. Der moderne Diesel sei aber notwendig, um die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen. Der Diesel zähle auch weiterhin zur technischen Kompetenz der deutschen Hersteller, so Mattes. In Westeuropa haben sie einen Marktanteil bei Diesel-Pkw von 51 Prozent, in Deutschland sind es 78 Prozent. In Westeuropa beträgt der Dieselanteil an allen Pkw-Verkäufen 38 Prozent. Und jedes zweite dieser Fahrzeuge trägt ein deutsches Konzernmarkenzeichen.

Die Politik in Deutschland will keine Fahrverbote, die Hersteller auch nicht, und die Autofahrer schon gar nicht, beschreibt Mattes die Stimmungslage. ,,Der moderne Diesel ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Wir Deutschen sind in dieser Technologie führend, unsere Wettbewerber wissen, dass sie uns hier nicht überholen können. Wir dürfen uns daher auch nicht selbst ausbremsen."

Europa hat mit Abstand die anspruchsvollsten CO2-Ziele. In Japan sind es 105 Gramm, in China 117, in den USA 121 Gramm. Schon das 95-Gramm-Ziel (2020/2021) bezeichnete Mattes als ,,sehr anspruchsvoll". Der Entwurf der EU-Kommission stelle die Automobilindustrie vor extreme Herausforderungen und erfordere erhebliche Elektromobilitätsanteile. Mattes: ,,Ob diese CO2-Zielwerte (minus 15 Prozent bis 2025, minus 30 Prozent bis 2030) zu erreichen sind, hängt - neben der Kundennachfrage nach Elektrofahrzeugen - vor allem davon ab, wie rasch flächendeckend die öffentliche Infrastruktur aufgebaut wird."

Das EU-Parlament will noch mehr - die Rede ist von minus 50 Prozent. ,,Aber wir brauchen machbare Ziele", fordert Mattes. ,,Die Politik darf die Unternehmen nicht überfordern, sonst ist die industrielle Basis in Europa gefährdet," fordert Mattes. ,,Wir brauchen dringend die Balance. Es geht darum, die Ziele Klimaschutz und Industriepolitik gleichermaßen zu verfolgen. Sonst läuft etwas mächtig aus dem Ruder - mit schwerwiegenden Folgen für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung." Der Präsident stellt die Frage: ,,Wollen die Bürger wirklich auf Wachstum und Wohlstand verzichten?

Die deutschen Hersteller werden in den kommenden drei Jahren ihr Angebot von 30 auf über 100 Modelle mit Elektroantrieb erhöhen. Doch eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg der Elektromobilität sieht Mattes - neben der Modelloffensive - der rasche und flächendeckende Aufbau der Ladeinfrastruktur und die Sicherstellung von deren Leistungsfähigkeit. Die Verlängerung des Umweltbonus' mit den bestehenden Konditionen hält der VDA-Präsident für sinnvoll. Nur bei einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Industrie und Politik sei ein Elektrofahrzeuganteil von 15 Prozent in Europa bis 2025 zu erreichen. Aktuell sind es gut 2 Prozent.

Als zweiten Innovationstreiber sieht Mattes die Digitalisierung sowie vernetztes und automatisiertes Fahren. Jedes zweite weltweite Patent beim vernetzten und automatisierten Fahren kommt von der deutschen Automobilindustrie. In den nächsten drei Jahren investiert die Industrie dafür rund 18 Mrd. Euro. ,,Unsere Hersteller und Zulieferer verstehen sich immer mehr als Anbieter umfassender Mobilitätsdienstleistungen, in Ergänzung zum öffentlichen Verkehr", stellt Mattes fest.

Mattes wird eindeutig als er sagt: ,,Die deutsche Automobilindustrie ist deshalb so erfolgreich, weil sie ihre Internationalisierungsstrategien in freiem und fairem Wettbewerb umsetzen konnte." Der VDA beobachte sehr aufmerksam und mit großer Sorge die Entwicklung der internationalen Handelspolitik. Die deutsche Automobilindustrie sei auf freien Marktzugang angewiesen. ,,Dies gilt übrigens auch für unsere US-Standorte: Jedes zweite Auto, das wir in den USA fertigen, geht in den Export."

Die deutschen Pkw-Hersteller werden 2018 ihre weltweite Produktion um 1 Prozent auf den neuen Höchststand von 16,7 Mio. Einheiten steigern. Davon werden 11,2 Mio. Einheiten (+3 Prozent) im Ausland gefertigt; die Inlandsproduktion bleibt mit 5,5 Mio. Pkw etwas unter Vorjahresniveau (-3 Prozent). 4,2 Mio. Pkw werden exportiert, damit beträgt die Exportquote 76 Prozent. Im ersten Halbjahr ist der deutsche Pkw-Markt um 3 Prozent auf 1,84 Mio. Einheiten gestiegen. Der Auftragseingang aus dem Inland ist stabil, der ausländische Auftragseingang hat zugelegt.

Auch für das Gesamtjahr zeigt sich der VDA zuversichtliche Prognosen: Der Pkw-Weltmarkt wächst 2018 danach um 2 Prozent auf 86 Mio. Pkw. Für Europa erwartet der VDA ein kleines Plus von 1 Prozent auf 15,8 Mio. Pkw. Für den deutschen Pkw-Markt gehr der VDA von einem Zuwachs um 1 Prozent auf rund 3,5 Mio. Pkw aus. Aktuell (Stand: April 2018) beschäftigt die Automobilindustrie 832 000 Mitarbeiter in den Stammbelegschaften.

In den USA wird es mit 16,9 Mio. Light Vehicles einen leichten Rückgang geben (-2 Prozent). China ist mit 24,7 Mio. Pkw (+2 Prozent) weiter auf Wachstumskurs. Hinzu kommt die kräftige Erholung in Russland und Brasilien.

Auch die Nutzfahrzeugmärkte (über 6 t) haben sich im bisherigen Jahresverlauf (Januar - Mai 2018) positiv entwickelt: Westeuropa ist um 1 Prozent auf rund 125 000 schwere Lkw gewachsen. Der US-Truckmarkt entfaltet seit dem zweiten Halbjahr 2017 wieder eine starke Dynamik. In diesem Jahr stiegen die Verkäufe auf 183 300 Trucks (+18 Prozent). Der weltweit größte Lkw-Markt, China, hat um 12 Prozent zugelegt. Hier wurden bereits gut 645 000 Fahrzeuge verkauft. Darüber hinaus gibt Brasilien wieder Anlass zum Optimismus. Die Verkäufe kletterten um mehr als die Hälfte auf knapp 25 000 Einheiten (Jan-Mai). Von früheren Höchstständen sind wir hier aber nach wie vor weit entfernt.

Aus diesen Zahlen leitet Mattes Optimismus und Rückenwind für die 67. IAA Nutzfahrzeuge ab. Auf dieser weltweit wichtigsten Leitmesse für Transport, Logistik und Mobilität stehen ebenfalls die Megatrends Elektromobilität, Digitalisierung, Vernetzung und automatisiertes Fahren im Mittelpunkt. Ein Beispiel für die Vorteile der Digitalisierung ist das Platooning. Vor wenigen Tagen ist der weltweit erste Praxiseinsatz vernetzter Lkw-Kolonnen auf dem digitalen Testfeld A9 zwischen München und Nürnberg gestartet. (ampnet/Sm)