Stromversorgung für E-Autos: ,,Bitte nicht alle auf einmal"

Kurz nach der Wende Anfang der 1990er Jahre machte in den alten Bundesländern das geringschätzige Wort von "Dunkeldeutschland" die Runde, wenn von den neu hinzu gekommenen Gebieten im Osten der Republik die Rede war.

Kurz nach der Wende Anfang der 1990er Jahre machte in den alten Bundesländern das geringschätzige Wort von "Dunkeldeutschland" die Runde, wenn von den neu hinzu gekommenen Gebieten im Osten der Republik die Rede war. Das sind fast 20 Jahre her und ist längst überholt. Mittlerweile haben die neuen Regionen beispielweise mit ihrer Infrastruktur eine ganze Reihe von alten Westgegenden um Längen abgehängt. Doch Dunkeldeutschland könnte demnächst eine Renaissance erleben. Diesmal allerdings von Flensburg bis Füssen und von Köln bis Cottbus.

Das befürchtet das Unternehmen Oliver Wyman, das mit 50 Niederlassungen in 30 Ländern weltweit und 4500 Mitarbeitern seinen Kunden Beratung und Lösungen in den Bereichen Strategie, Risiko- und Personalmanagement anbietet. Doch es hält auch einen Ausweg für das Problem parat. 2035 wird nach derzeit seriösen Schätzungen mehr als ein Drittel aller Autos auf deutschen Straßen mit Elektroantrieb auf Batteriebasis unterwegs sein. Das bedeutet für die Stromversorger massive Herausforderungen, denn für diese Menge an E-Autos ist die Stromversorgung im deutschen Netz nicht ausgelegt.

Die Folge: Bereits ab einer E-Auto-Quote von 30 Prozent kann es zu flächendeckenden Stromausfällen kommen. Ohne Vorsorge für den Tag X wäre damit spätestens ab 2032 zu rechnen. Davon gehen Professor Gunther Friedl von der Technischen Universität München und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Friedrich Walcher zusammen mit drei Fachleuten von Oliver Wyman aus. Punktuell würden schon in den kommenden fünf bis zehn Jahren Versorgungsengpässe entstehen, etwa in den Eigenheim-Gebieten der Vorstädte, wo eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber der elektrischen Mobilität vermutet wird.

Um Stromausfälle zu vermeiden, müssten - noch lange bevor die Elektrifizierung 50 Prozent erreicht haben wird - bis zu elf Milliarden Euro in den Netzausbau investiert werden. Aufgrund des langen zeitlichen Vorlaufs bei einem solchen Ausbau mit Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Beseitigung ökologischer Bedenken bestehe daher bereits jetzt akuter Handlungsbedarf, um die Stromnetze auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten.

Einfacher wäre ein anderer Weg. Den schlagen die Fachleute der Technischen Universität München zusammen mit den Autoren von Oliver Wyman in Form einer ökonomisch attraktiven Alternative vor: Die intelligente Flexibilisierung der Ladevorgänge.

Zumeist versorgen die Besitzer von Eigenheim und Elektroauto schon heute ihr Fahrzeug in der eigenen Garage mit Strom. Das ist einfach, geht über Nacht und lädt die Batterie bis zum Morgen voll. Doch mit zunehmender E-Autodichte sind Engpässe im Stromnetz dadurch vorprogrammiert, besonders in dem im Niederspannungsnetz integrierten Ortsnetz. Ein solches Netz versorgt in der Regel rund 120 Haushalte. Wird ein Elektroauto angeschlossen, beginnt der Ladevorgang unmittelbar und sofort. Dadurch entsteht jedoch vor allem abends eine kritische Spitzenlast, wenn die Elektroauto-Besitzer zuhause ankommen und ihre Autos an die Ladestationen anschließen. Das Ortsnetz wird jetzt zum Engpass, auf diese zusätzliche Belastung ist es zumindest zurzeit noch nicht ausgelegt. Es kann dann zu einer erheblichen Überschreitung der maximalen Ortsnetzkapazität kommen und dadurch zu einem Ausfall der Stromversorgung.

In der Analyse schlagen die Autoren der Studie ,,Blackout - E-Mobilität setzt Netzbetreiber unter Druck" jedoch eine rentable und wirtschaftliche Alternative zum konventionellen Ausbau der Netze vor. Die Lösung liegt in einer intelligenten Steuerung der Ladevorgänge - einfacher gesagt in der Forderung: ,,Bitte nicht alle auf einmal laden." Selbst die intensivere als die bisherige Nutzung bereits vorhandener lokaler Elemente wie Photovoltaik- und Windkraftanlagen sowie dezentraler Speicher sind einem plötzlich Überhand nehmendem Bedarf nicht gewachsen.

Um den Blackout zu vermeiden, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Da liegt eine intelligente Steuerung der Ladevorgänge auf der Hand. Sie hat das Potenzial, den Bedarf des Netzausbaus dramatisch zu reduzieren und immense Kosten einzusparen. Die größte Herausforderung liegt allein darin, eine ausreichend große Anzahl von E-Auto-Besitzern zur Teilnahme zu bewegen, was am einfachsten durch eine attraktive Preispolitik zu erreichen ist. Voraussetzung für die Realisierung dieser Alternative sind entsprechende Regeln, ähnlich wie es einst verbilligten Strom für Nachtstromspeicheröfen gab. Außerdem muss es dem Netzbetreiber erlaubt sein, von sich aus Ladevorgänge dezentral steuern zu können.

Zum Abschluss machen die Autoren der Studie eine Beispielrechnung auf: ,,Bei einer Bezuschussung von 100 Euro pro Teilnehmer und Jahr würden bei einer E-Auto-Quote von 50 Prozent Kosten in Höhe von etwa 4,6 Milliarden Euro bis zum Jahr 2039 (kumuliert) entstehen", schreiben sie. ,,Im Vergleich mit den Kosten eines Netzausbaus (elf Milliarden Euro) bedeutet dies ein Einsparpotenzial von rund 6,4 Milliarden Euro." (ampnet/hrr)