EU-Einigung: Lieferkettengesetz kommt später und in abgeschwächter Form

Sitzung des EU-Parlaments in Brüssel Bild: AFP

EU-Einigung: Lieferkettengesetz kommt später und in abgeschwächter Form

Das europäische Lieferkettengesetz kommt nach massivem Druck aus der Wirtschaft in abgeschwächter Form und später als geplant. Es soll für weniger Unternehmen gelten.

Das europäische Lieferkettengesetz kommt nach massivem Druck aus der Wirtschaft in abgeschwächter Form und später als geplant. Verhandler aus dem Europaparlament und dem Rat der 27 EU-Länder einigten sich in der Nacht zu Dienstag darauf, dass die Vorgaben für weniger Unternehmen gelten sollen. Die Regeln werden um ein weiteres Jahr nach hinten verschoben, auf Juli 2029.

Das Lieferkettengesetz soll Unternehmen eigentlich für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihrer Lieferkette in die Pflicht nehmen. Es war im Frühjahr 2024 beschlossen worden, greift aber noch nicht und wurde schon einmal verschoben.

Nun einigten sich die Verhandler auf einen weiteren Aufschub: Die Mitgliedstaaten sollen die EU-Vorgaben bis zum 26. Juli 2028 in nationales Recht umsetzen, ein Jahr später sollen sich die betroffenen Unternehmen daran halten müssen.

Wirtschaftsverbände halten die Belastung durch das Lieferkettengesetz seit langem für zu hoch. Auf ihren Druck einigten sich die Verhandler in Brüssel darauf, zahlreiche Firmen von den Vorschriften auszunehmen. Das Gesetz soll für Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten. Bisher war eine Schwelle bei 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz vorgesehen.

Die betroffenen Unternehmen sollen zudem nicht mehr ihre gesamte Lieferkette überwachen müssen. Firmen sollen vor allem dort nachforschen, wo sie selbst ein hohes Risiko für Verstöße vermuten. Außerdem sollen sie sich auf Informationen verlassen, die bei ihren Lieferanten "annehmbarerweise verfügbar" sind, also keine tiefere Recherche verlangen.

Die Verhandler strichen zudem eine EU-weite Haftung für Verstöße gegen das Gesetz. Damit hängen Entschädigungen für Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung künftig von den Gerichten in den unterschiedlichen EU-Staaten ab. Bußgelder für Verstöße sollen maximal drei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) begrüßte die Einigung. "Das ist ein wirklich großer Erfolg unserer Anstrengungen", sagte Merz am Dienstag bei einem Auftritt in Rheinland-Pfalz. Merz hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, das Lieferkettengesetz vollständig abzuschaffen. Die schwarz-rote Bundesregierung einigte sich schließlich darauf, das bestehende deutsche Gesetz abzuschaffen und durch die veränderten europäischen Regeln zu ersetzen.

Deutsche Wirtschaftsverbände forderten von der Koalition eine rasche Umsetzung. "Unternehmen brauchen Rechtssicherheit und Planbarkeit", erklärte der Präsident des Arbeitgeberverbandes BDA, Rainer Dulger. Auch der Handwerksverband ZDH forderte die Bundesregierung auf, den Brüsseler Kompromiss "eins zu eins" umzusetzen. Zugleich verlangten mehrere Verbände, noch mehr Regeln abzubauen. Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie etwa erklärte, es sei "weiterhin der beste Weg", das Lieferkettengesetz komplett abzuschaffen.

Die deutsche Inititative Lieferkettengesetz beklagte hingegen, vom Zweck des Gesetzes sei nach den Verhandlungen wenig übrig geblieben. Der Kompromiss "entbindet die meisten Unternehmen von der gesetzlichen Verpflichtung, sich ernsthaft mit Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten und Klimaschutz in ihrem Geschäftsmodell zu befassen", erklärte die Sprecherin Sofie Kreusch.

Das Europaparlament und der Rat der 27 Länder müssen den Kompromiss noch absegnen. Im Parlament dürfte eine Mehrheit aus Konservativen und Rechtsaußen-Fraktionen zustande kommen, die bereits im November für die Änderungen gestimmt hatte. Damals setzte sich die Europäische Volkspartei (EVP) mit den Fraktionen EKR, PfE und ESN durch, der die AfD angehört.