Gegenseitige Schuldzuweisungen nach  tödlichen Schüssen bei Hilfslieferung in Gaza

Betende auf dem Tempelberg in Jerusalem Bild: AFP

Gegenseitige Schuldzuweisungen nach tödlichen Schüssen bei Hilfslieferung in Gaza

Nach den tödlichen Schüssen bei einer Hilfslieferung im Gazastreifen hat die israelische Armee jede Verantwortung von sich gewiesen. 'Bewaffnete Palästinenser' hätten das Feuer eröffnet, erklärte die Armee.

Nach den tödlichen Schüssen bei einer Hilfslieferung im Gazastreifen hat die israelische Armee jede Verantwortung von sich gewiesen. "Bewaffnete Palästinenser" hätten das Feuer eröffnet, während Zivilisten in der Stadt Gaza auf die Ankunft des Hilfskonvois gewartet hätten, erklärte die Armee am Freitag. Die radikalislamische Hamas sprach hingegen von mindestens 20 Toten durch israelischen Beschuss. Indes erreichte ein erstes Schiff mit Hilfsgütern die Küste vor dem Palästinensergebiet. Im Ringen um einen Waffenstillstand zeigte sich die Hamas zu einer sechswöchigen Feuerpause bereit.

Die Darstellung von Seiten der radikalislamischen Hamas, wonach die israelische Armee für die Schüsse und dadurch für den Tod von mindestens 20 Menschen in Gaza verantwortlich sei, hatte Israel bereits zuvor zurückgewiesen und eine sorgfältige Untersuchung angekündigt.

Später erklärte die Armee, die "bewaffneten Palästinenser" hätten auch weitere Schüsse abgegeben, als die Zivilisten begonnen hätten, die Lastwagen zu plündern. Die Armee machte keine Angaben zu Todesopfern, erklärte aber, dass mehrere Zivilisten auch "von den Lastwagen überfahren wurden".

Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium hatte in der Nacht auf Freitag erklärt, dass mindestens 20 auf Hilfsgüter wartende Menschen durch israelischen Beschuss getötet und 155 weitere Menschen verletzt worden seien. Die Menschen seien an einem Kreisverkehr nahe der Stadt Gaza unter Beschuss geraten, auch Panzer und Hubschrauber seien eingesetzt worden.

Bereits Ende Februar waren nach Hamas-Angaben im Gazastreifen mehr als hundert Palästinenser getötet worden, als israelische Soldaten bei der Ankunft von Lastwagen mit Hilfsgütern das Feuer eröffneten. Die israelische Armee räumte damals in der Folge eine "begrenzte" Zahl von Schüssen durch israelische Soldaten ein, die sich "bedroht" gefühlt hätten.

Nach mehr als fünf Monaten Krieg zwischen Israel und der Hamas ist die humanitäre Lage im Gazastreifen katastrophal. Nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms (WFP) befinden sich die dort lebenden 2,4 Millionen Palästinenser am Rande einer Hungersnot.

Mehrere Staaten werfen mittlerweile Hilfsgüter aus der Luft ab, um den Menschen vor Ort zu helfen. Am Donnerstag landete eine erste Bundeswehr-Maschine in Jordanien, um sich an dem Einsatz zu beteiligen, wie die Luftwaffe im Kurzbotschaftendienst X mitteilte.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reist am Wochenende nach Jordanien und Israel. Unter anderem ist ein Gespräch mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geplant. Ein Regierungssprecher in Berlin verwies darauf, dass Scholz sich gegen eine Bodenoffensive auf Rafah gewandt habe und eine bessere humanitäre Versorgung für die Menschen im Gazastreifen fordere.

Ein erstes mit Hilfsgütern beladenes Schiff erreichte nach mehrtägiger Fahrt auf einem neu eingerichteten Seekorridor ab Zypern den Gazastreifen. Wie Fotos der Nachrichtenagentur AFP zeigen, befand sich die "Open Arms" der gleichnamigen spanischen Nichtregierungsorganisation am Freitagmorgen in Sichtweite des Palästinensergebiets. 

Wann das Schiff entladen werden kann, war zunächst offen. Ein Team der US-Hilfsorganisation World Central Kitchen, das sich im Gazastreifen aufhält, errichtet bereits seit mehreren Tagen eine schwimmende Anlegestelle.   

Derweil versammelten sich in Jerusalem zehntausende Gläubige zum ersten Freitagsgebet des Fastenmonats Ramadan vor der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg. Laut dem Leiter der jordanischen Behörde, welche die muslimischen Kultstätten in Jerusalem verwaltet, beteten etwa 80.000 Gläubige "friedlich". Die israelische Polizei gab die Zahl der Betenden mit 40.000 an. Aus Angst vor Ausschreitungen waren tausende Polizisten im Einsatz.

In den seit Wochen andauernden Vermittlungsbemühungen für eine neue Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas zeigte sich die Palästinenserorganisation am Freitag zu einer sechswöchigen Feuerpause und zu einem Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Gefangene bereit. Wie ein Hamas-Vertreter AFP sagte, könnten im Rahmen einer solchen Vereinbarung 42 israelische Geiseln - Frauen, Kinder, ältere Menschen und Kranke - gegen jeweils 20 bis 50 palästinensische Gefangene ausgetauscht werden. 

Bisher hatte die Hamas einen dauerhaften Waffenstillstand vor jeglicher Geiselfreilassung gefordert. Den Angaben zufolge fordert die Hamas allerdings, dass die Feuerpause dann zu einem "vollständigen (israelischen) Abzug aus dem Gazastreifen und einem dauerhaften Waffenstillstand" führt. In den vergangenen Wochen waren Gespräche unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens ohne Erfolg geblieben. 

Der Gazakrieg hatte durch einen brutalen Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober begonnen. Bei dem Angriff töteten Kämpfer der Hamas und anderer islamistischer Organisationen nach israelischen Angaben etwa 1160 Menschen und verschleppten rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen. 

Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mindestens 31.490 Menschen getötet.