Stress an Körperhaltung erkennbar

mp Groß-Gerau - Bei Stress reagiert der Körper äußerlich unter anderem durch eine Reduzierung der Bewegungen. geralt / pixabay.com

Stress an Körperhaltung erkennbar

Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) arbeiten an nicht-invasiver Methode zur Untersuchung von psychosozialem Stress.


Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) arbeiten an nicht-invasiver Methode zur Untersuchung von psychosozialem Stress. Sorgt Stress in sozialen Situationen für eine besondere Körperhaltung? Bewege ich mich anders, wenn ich mich unter Druck gesetzt fühle oder einen Konflikt befürchte? Wissenschaftler der FAU sind in ihren Untersuchungen diesen Fragen nachgegangen.
Anhand ihrer Studienergebnisse konnten sie maschinelle Lernmodelle trainieren, um gestresste von nicht gestressten Personen zu unterscheiden - der erste Schritt hin zu zukünftigen nicht-invasiven Methoden der Stressmessung.

"Im Vorfeld der Studie wussten wir nicht, was uns erwartet", sagt Robert Richer, Doktorand am Lehrstuhl für Maschinelles Lernen und Datenanalytik und Erstautor der Studie. Es handle sich hierbei um die erste systematische Untersuchung von Körperbewegungen und -haltung mit Blick auf Stressbelastung. Man habe deshalb verschiedene Hypothesen darüber aufgestellt, wie psychosozialer Stress sich auf die Körperhaltung einer Person auswirken könnte. "Würden vielleicht manche Personen in die Überreaktion gehen und sich zum Beispiel heftiger bewegen als sonst? Mit den Händen fuchteln oder ähnliches? Oder würden sie vielleicht erstarren?"

Zunächst führte das Forschungsteam mit den Teilnehmern den Trierer Sozialer Stresstest (TSST) durch. Dieser wird bereits seit den frühen 1990ern eingesetzt, um psychosozialen Stress und physiologische Stressreaktionen zu untersuchen. Da dabei stets einem festen Protokoll gefolgt wird, lassen sich Ergebnisse daraus gut miteinander vergleichen. Probandinnen und Probanden eines TSST durchlaufen ein gestelltes Vorstellungsgespräch und müssen eine Rechenaufgabe im Kopf lösen. Für diese 15 Minuten bleiben die Gesprächspartner neutral und interagierten nicht.
Für direkte Vergleichbarkeit arrangierten die FAU-Forschenden eine Kontrollsituation: Wieder ein Vorstellungsgespräch mit ähnlichen Aufgaben, bei dem das Verhalten des Gegenübers nun jedoch freundlich und unterstützend war.

In beiden Gesprächssituationen trugen die Teilnehmer Sensoren am ganzen Körper: Der Kopf, die Schultern, jede Gliedmaße, Hände und Füße und die Brust - alles wurde mit kleinen Beschleunigungssensoren versehen, um die Bewegung des ganzen Körpers zu erfassen. Dabei zeigte sich bei allen Probanden konsistent eine Reduktion der Bewegung in der Stresssituation sowie längere Zeitspannen der Bewegungslosigkeit. Das Ausmaß der Reduktion bzw. die Regungslosigkeit sei individuell gewesen, sagt Richer. "Eine Person, die generell aktiver ist, bewegt sich in einem solchen Fall also ruhiger, hat aber im Vergleich eventuell noch immer eine größere Bewegungsdynamik als eine Person, die sich grundsätzlich weniger bewegt." Doch bei allen habe man irgendeine Form der Bewegungsreduktion ausmachen können.

Mit den gewonnenen Daten wurden maschinelle Lernmodelle, auch Machine Learning Pipelines genannt, entwickelt, um akuten psychosozialen Stress nur anhand von Bewegung zu erkennen. Die künstlichen, lernenden Modelle erkannten bei knapp 75Prozent der untersuchten Personen korrekt, ob diese gestresst waren oder nicht. Das Ergebnis wird vom Forschungsteam als großer Erfolg gewertet. Auf Basis dieser Zahlen erscheint es realistisch, dass zukünftig maschinelles Lernen dazu genutzt werden könnte, um Körperhaltungen und -bewegungen auf akuten Stress hin zu bewerten.