Angst vor Eskalationsspirale nach iranischem Angriff auf Israel

Explosionen über Jerusalem während iranischen Angriffs Bild: AFP

Angst vor Eskalationsspirale nach iranischem Angriff auf Israel

Der erste direkte Angriff Irans auf Israel hat die Weltgemeinschaft erschüttert und die Ängste vor einer Eskalationsspirale in der Region verstärkt.

Der erste direkte Angriff Irans auf Israel hat die Weltgemeinschaft erschüttert und die Ängste vor einer Eskalationsspirale in der Region verstärkt. "Wir verurteilen den iranischen Angriff scharf und warnen vor jeder weiteren Eskalation", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). US-Präsident Joe Biden kündigte eine G7-Videokonferenz noch für Sonntag an, auch der UN-Sicherheitsrat wollte tagen. Zuvor hatte der Iran erstmals in der Geschichte von seinem Staatsgebiet aus direkt Israel angegriffen.

Der Iran machte am späten Samstagabend seine Drohungen wahr und griff Israel erstmals direkt mit Drohnen und Raketen an. Nach Angaben der israelischen Armee wurde der Angriff "vereitelt". Die mehr als 300 Drohnen und Raketen seien zu "99 Prozent" abgefangen worden. Zeitgleich mit dem iranischen Luftangriff führten auch die pro-iranische Hisbollah-Miliz im Libanon sowie die Huthi-Rebellen im Jemen Angriffe gegen israelische Ziele etwa auf den Golan-Höhen aus.

In mehreren Orten in Israel wurde Luftalarm ausgelöst, darunter in Jerusalem und im Süden. Auch Explosionen waren zu hören, Menschen suchten Schutz. Zwölf Menschen wurden nach israelischen Angaben bei den Angriffen verletzt, darunter ein siebenjähriges Mädchen. Der Luftraum über Israel wurde gesperrt und erst am Sonntagmorgen um 06.30 Uhr MESZ wieder geöffnet.

Keine der 170 Drohnen und keiner der 30 Marschflugkörper habe israelisches Gebiet erreicht, sagte ein israelischer Armeesprecher. Nur "wenige" der 110 ballistischen Raketen seien bis nach Israel durchgedrungen, eine habe den Luftwaffenstützpunkt Nevatim im Süden des Landes "leicht" getroffen. Der Militärstützpunkt sei aber intakt.

Israels Verteidigungsminister Joav Gallant erklärte: "Gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und weiteren Partnern ist es dem Staat Israel gelungen, sein Territorium zu verteidigen." Er fügte jedoch hinzu: "Die Schlacht ist noch nicht vorbei - wir müssen wachsam bleiben." 

Unklar blieb zunächst, ob und wie Israel auf den Angriff reagiert. Irans Präsident Ebrahim Raisi warnte Israel vor "unbesonnener" Vergeltung und drohte für einen solchen Fall mit einer ""entschiedenen und sehr viel stärkeren Antwort" aus dem Iran. Die iranische UN-Vertretung erklärte, der Iran hoffe, dass es keine weitere Eskalation von israelischer Seite gebe, dann könne "die Angelegenheit als abgeschlossen angesehen" werden.

Die Führung in Teheran sieht die Angriffe als Vergeltung für den Angriff auf das iranische Konsulatsgebäude in Damaskus, der Israel zugeschrieben wird. Dort waren Anfang April 16 Menschen getötet worden, darunter zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden. 

Die iranische Armee erklärte, sie habe mit dem Angriff alle ihre Ziele erreicht. Die beiden Hauptziele in Israel, ein Geheimdienstzentrum und die Militärbasis Nevatim, die mit dem Angriff in Damaskus in Verbindung stünden, seien "beträchtlich beschädigt und außer Betrieb gesetzt worden", sagte Armeechef Mohammed Bagheri im Fernsehen. "Die Bestrafung des Angreifers ist erfolgt", betonte auch Raisi.

US-Präsident Joe Biden sprach von einem "dreisten" iranischen Angriff, den er "auf Schärfste" verurteile. Zugleich sicherte er Israel erneut die "unerschütterliche" Unterstützung der USA zu, wobei es so schien, als ob er den Verbündeten von einem militärischen Gegenschlag abhalten wolle. Biden telefonierte auch mit Israel Regierungschef Benjamin Netanjahu. Laut einem Bericht der Nachrichtenseite Axios machte der US-Präsident dabei klar, dass er einen israelischen Gegenangriff ablehne. 

Scholz erklärte seinerseits: "Wir können nur alle warnen, insbesondere den Iran, so weiterzumachen." Mit seiner "unverantwortlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Attacke" riskiere Teheran einen "regionalen Flächenbrand".Scholz, der sich derzeit in China aufhält, wollte im Laufe des Tages an den Videoberatungen der G7-Staaten teilnehmen. 

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich "zutiefst alarmiert über die sehr reale Gefahr einer verheerenden Eskalation in der gesamten Region". Auch der UN-Sicherheitsrat sollte noch am Sonntag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen.

Nach der Verurteilung des iranischen Angriffs auf Israel durch den Westen bestellte der Iran die Botschafter von Deutschland, Frankreich und Großbritannien ein. Ihnen sollte nach Angaben des Außenministeriums in Teheran der Protest gegen die "unverantwortlichen Positionen mancher Verantwortlicher dieser Länder hinsichtlich der iranischen Antwort" auf das israelische Vorgehen übermittelt werden.

Aber nicht nur aus dem Westen kamen dringende Appelle für eine Deeskalation: "Wir fordern alle beteiligten Parteien auf, Zurückhaltung zu üben", erklärte das russische Außenministerium. Der türkische Außenminister Hakan Fidan rief nach Angaben aus diplomatischen Kreisen seinen iranischen Amtskollegen Hossein Amir-Abdollahian an und teilte ihm mit, "dass wir keine erneute Eskalation in der Region wünschen". Auch der iranische Chefdiplomat erklärte demnach, die "Vergeltungsaktion gegen Israel" sei "beendet". Teheran behalte sich aber das Recht vor, im Falle eines israelischen Angriffs "mit größerer Härte" zu handeln.

Der Iran ist ein erklärter Unterstützer der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, die mit ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober den Krieg im Gazastreifen ausgelöst hatte. Sowohl der Iran als auch die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Hamas haben die Vernichtung Israels als Ziel ausgegeben. Bisher hatte der Iran den Erzfeind aber nie direkt angegriffen.