Abgeordnete unternehmen neuen Anlauf für Widerspruchslösung bei Organspende

Organtransplantation in Frankreich Bild: AFP

Abgeordnete unternehmen neuen Anlauf für Widerspruchslösung bei Organspende

Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten unternimmt einen neuen Anlauf für eine Widerspruchsregelung bei der Organspende. Angesichts des anhaltenden Mangels an Spenderorganen soll künftig jeder Mensch nach seinem Tod potenziell als Spender in Frage kommen.

Tausende schwer kranker Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan - oftmals jahrelang und in vielen Fällen auch vergeblich. Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten hat deshalb am Montag einen neuen Anlauf gestartet, um die Zahl der potenziellen Organspenderinnen und -spender durch eine Gesetzesänderung zu erhöhen. Sie werben für die so genannte Widerspruchsregelung. Ein ähnliches Modell war allerdings vor vier Jahren bei einer Abstimmung im Bundestag gescheitert.

Dem Vorschlag zufolge soll künftig jeder Mensch nach seinem Tod potenziell als Organspender in Frage kommen - es sei denn, er hat dem zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen. Aktuell gilt die so genannte Zustimmungsregelung: Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger müssen zu Lebzeiten ausdrücklich dokumentieren, dass sie zu einer Organspende bereit sind.

Der neue Vorstoß soll den Kreis der potenziellen Spender deutlich vergrößern: "Jeder volljährige und einwilligungsfähige Mensch kommt als Organspender in Frage, wenn er eingewilligt hat oder nicht widersprochen hat", sagte die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar bei der Vorstellung des Entwurfs. Sie verwies darauf, dass rund 8400 Menschen auf der Warteliste für eine Organspende stehen: "Täglich versterben drei Menschen auf der Warteliste", betonte die SPD-Politikerin.

Hinter dem Vorstoß stehen einzelne Abgeordnete von SPD, CDU, CSU, Grünen, FDP und Linken. Es handelt sich also nicht um eine Initiative der Fraktionen. Die Initiatorinnen und Initiatoren wollen nun ein Gesetzgebungsverfahren im Bundestag in Gang bringen, das idealerweise im Frühjahr 2025 zu einem Gesetzesbeschluss führt, wie Dittmar sagte. 

In einem ersten Schritt sollten dann alle Bürgerinnen und Bürger im Alter von 18 Jahren oder mehr von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angeschrieben und über die neue Regelung informiert werden. Die Umstellung von Entscheidungslösung auf Widerspruchsregelung solle 2027 oder 2028 erfolgen.

Die Initiatorinnen und Initiatoren zeigten sich zuversichtlich, dass eine Widerspruchsregelung - anders als bei der Abstimmung 2020 - diesmal eine Mehrheit im Bundestag erreichen könnte. Die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann verwies darauf, dass die Maßnahmen der letzten Jahre zur Steigerung der Spenderzahlen wenig Erfolg gehabt hätten:  "Wir sehen, dass diese Maßnahmen nicht verfangen."

Ähnlich argumentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach  (SPD), der der Initiative seine Unterstützung zusagte. "Wir müssen uns ehrlich machen: Ohne dass wir allen zumuten, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, werden die Organspendezahlen nicht signifikant steigen", erklärte Lauterbach. "Wer das Sterben auf der Warteliste beenden will, sollte diese Bundestagsinitiative unterstützen."

Die Abgeordneten verwiesen darauf, dass sich in Umfragen mehr als 80 Prozent positiv zur Organspende äußern - dass sich aber sehr viel weniger Menschen aktiv als spendenbereit registrieren lassen. Angesichts dieser Tatsache müsse sich der Gesetzgeber die Frage stellen, "ob dieses Nichthandeln zum Nachteil anderer hingenommen werden muss", sagte die Linken-Abgeordnete Petra Sitte. 

Den Vorwurf der Kritiker, dass eine Widerspruchsregelung zu tief ins Selbstbestimmungsrecht der Menschen eingreife, wiesen die Initiatoren zurück. "Die Bürger können von ihrem Recht auf Widerspruch Gebrauch machen", sagte der FDP-Abgeordnete Christoph Hoffmann, der 2020 noch gegen ein Widerspruchsmodell gestimmt hatte. Die CDU-Abgeordnete Connemann sagte, die Positionierung für oder gegen eine Organspende sei "eine Entscheidung, die von einem erwachsenen mündigen Menschen erwartet werden kann".

Der Entwurf sieht noch in einem weiteren Punkt eine Änderung zur gegenwärtigen Rechtslage vor: bei der Einbindung der Angehörigen. Bislang können Hinterbliebene in Fällen, bei denen die Bereitschaft eines Verstorbenen zur Organspende nicht klar war, selbst über diese Frage entscheiden. "Das stellt oft eine klare Überforderung der Angehörigen dar, die sich im Zweifel oft gegen eine Organspende entscheiden", sagte der Grünen-Abgeordnete Armin Grau. Die Neuregelung sieht kein Entscheidungsrecht für Angehörige vor - allein der Wille des Betroffenen soll gelten.