Orban reist trotz breiter Kritik zu Ukraine-Gesprächen mit Putin nach Moskau

Putin und Orban Bild: AFP

Orban reist trotz breiter Kritik zu Ukraine-Gesprächen mit Putin nach Moskau

Ungeachtet breiter westlicher Kritik hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Gesprächen über den Ukraine-Krieg getroffen. Putin sprach von einer 'offenen und hilfreichen' Diskussion.

Ungeachtet breiter Kritik aus der EU und der Ukraine hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban wenige Tage nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch sein Land den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau zu Gesprächen über den Ukraine-Krieg getroffen. Putin sagte nach dem Treffen, Orban und er hätten eine "offene und hilfreiche" Diskussion geführt, bei der es um Mittel zur "Beilegung der Krise" gegangen sei. Mehrere EU-Spitzenvertreter distanzierten sich von Orbans Reise.

Orban sagte nach dem Gespräch mit Putin, zur Ukraine seien die Positionen "weit voneinander entfernt" und "viele Schritte nötig, um den Krieg zu beenden und Frieden herbeizuführen". Mit Blick auf die "Wiederaufnahme des Dialogs" sei mit seinem Besuch "der erste wichtige Schritt getan", sagte Orban. "Ich werde diese Arbeit fortführen."

Putin bekräftigte die Forderung Moskaus, die Ukraine müsse von Russland beanspruchte Teile ihres Staatsgebiets aufgeben. Es sei ein "vollständiger Rückzug aller ukrainischen Soldaten aus den Volksrepubliken Donezk und Luhansk und den Regionen Saporischschja und Cherson" nötig. Putin hatte im September 2023 die Annexion der vier Regionen erklärt.

Zu Beginn des Treffens hatte Putin in Richtung Orban gesagt, er gehe "davon aus, dass Sie dieses Mal nicht nur als langjähriger Partner, sondern auch als Vorsitzender des Rates der Europäischen Union gekommen sind". Er wolle die Gelegenheit nutzen, mit Orban über die "Zwischentöne zu sprechen", die sich im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt entwickelt hätten.

Zuvor hatten jedoch in Brüssel mehrere EU-Spitzenvertreter erklärt, der ungarische Ministerpräsident vertrete dort nicht die gesamte Union. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, Orban habe "kein Mandat" der anderen 26 Mitgliedsländer für den Besuch und vertrete "die EU (...) in keiner Form". 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte im Onlinedienst X, "Appeasement" werde "Putin nicht aufhalten." Sie ergänzte: "Nur Einigkeit und Entschlossenheit werden den Weg zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine ebnen." 

Als "Appeasement" wird eine Politik der Besänftigung demokratischer Staaten gegenüber aggressiven, autoritär regierten Nationen bezeichnet. Der Ausdruck geht auf die gescheiterte Politik des britischen Regierungschefs Neville Chamberlain gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland vor dem Zeiten Weltkrieg zurück.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte im russischen Staatsfernsehen, der Besuch gehe auf eine Idee Orbans zurück. Russische Vertreter hätten davon erst am Mittwoch erfahren. 

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg distanzierte sich von dem Besuch. Zwar habe das Nato-Mitglied Ungarn ihn über Orbans Besuch in Moskau vorab informiert. "Viktor Orban vertritt nicht die Nato bei diesen Treffen, er vertritt sein eigenes Land", sagte Stoltenberg aber vor Journalisten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte mit Blick auf Orbans derzeitige Rolle als Vorsitzender des EU-Ministerrats, dieses Organ werde vom EU-Außenbeauftragten vertreten. Daher sei "die Ratspräsidentschaft Ungarns nicht das, was diesen Besuch trägt, sondern die Tätigkeit als ungarischer Ministerpräsident". 

Aus dem ukrainischen Außenministerium hieß es, Orban habe über seinen Besuch "ohne jegliche Absprache oder Koordination" entschieden. Alle Staaten seien "angehalten", dem Grundsatz zu folgen, dass es keine Vereinbarungen über die Ukraine ohne Kiew geben dürfe.

Orbans Besuch in Moskau ist der erste eines EU-Staats- oder Regierungschefs, seit der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer im April 2022 nach Russland gereist war. Orban selbst hatte - noch vor der offiziellen Bestätigung seiner Reise nach Moskau - auf X geschrieben: "Vom bequemen Sessel in Brüssel aus kann man keinen Frieden schaffen." Auch wenn er kein Mandat habe, im Namen der EU zu verhandeln, "können wir uns nicht zurücklehnen und darauf warten, dass der Krieg auf wundersame Weise endet. Wir werden ein wichtiges Instrument sein, um die ersten Schritte in Richtung Frieden zu machen." 

Der polnische Regierungschef Donald Tusk kommentierte Orbans Aussage auf X mit den Worten: "Die Frage ist, in wessen Hand dieses Instrument liegt."

Orban unterhält trotz des Ukraine-Krieges weiter enge Beziehungen zu Moskau und stellt sich gegen die EU-Linie. Sanktionen gegen Russland und Finanzhilfen der EU für Kiew hat der pro-russische Regierungschef mehrfach verzögert. Zudem kritisierte er die Eröffnung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Der rechtspopulistische Regierungschef hatte Putin bereits im Oktober 2023 bei einem Gipfeltreffen in Peking getroffen, was in der EU ebenfalls Empörung ausgelöst hatte.  

Ungarn hatte am Montag den rotierenden EU-Ratsvorsitz übernommen. Am folgenden Tag war Orban zum ersten Mal seit der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 nach Kiew gereist und hatte dort Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geführt. Dabei drängte er Selenskyj zu einer zeitlich begrenzten Waffenruhe mit Russland. Selenskyj wies dies zurück und betonte, sein Land wolle einen "gerechten Frieden".