Bei der Umsetzung der selbst gesetzten Klimaziele hapert es dem UNEP-Bericht zufolge stark. Daher steuere die Erde statt auf 2,3 bis 2,5 Grad de facto sogar auf eine Erwärmung um 2,8 Grad bis 2100 zu.
Im Pariser Klimaabkommen von 2015 ist vereinbart, dass die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden soll. In der Klimawissenschaft herrscht Einigkeit, dass eine stärkere Erwärmung katastrophale Folgen wie etwa immer häufigere und heftigere Stürme und längere Dürren nach sich zieht.Â
Nach immer neuen Temperaturrekorden zeichnet sich allerdings ab, dass die 1,5-Grad-Grenze in den kommenden Jahren dauerhaft gerissen wird. Daher muss es bei den internationalen Klimaverhandlungen nun darum gehen, das Überschreiten der 1,5-Grenze zumindest so weit wie möglich einzudämmen.
Dafür müssten insbesondere die größten Verursacher ihre Treibhausgas-Emissionen schneller und stärker verringern als bislang zugesagt. Der Aufforderung, ihre nationalen Klimaziele nachzuschärfen, kamen bis zum Fristende Ende September aber nur gut 60 der mehr als 190 Staaten nach, die dem Pariser Abkommen beigetreten sind.
"Unsere Mission ist simpel, aber nicht einfach", sagte UN-Generalsekretär António Guterres in einer Video-Botschaft. Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt so handeln, dass die Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze "so schwach und so kurz wie möglich" bleibt. Wenn bis 2050 global Treibhausgasneutralität erreicht werde, könne die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts wieder auf 1,5 Grad begrenzt werden. Im September hatte Guterres in einem AFP-Interview eingeräumt, dass das 1,5-Grad-Ziel "kurz vor dem Zusammenbruch" stehe.
Die neue UNEP-Prognose zur drohenden Erderwärmung fällt zwar etwa 0,3 Grad niedriger aus als vergangenes Jahr. Allerdings sind davon 0,1 Prozent auf verbesserte Mess- und Prognosemethoden zurückzuführen. Weitere 0,1 Grad Rückgang sind auf formalisierte Klimaschutzzusagen unter dem früheren US-Präsidenten Joe Biden zurückzuführen, die unter seinem Nachfolger Donald Trump allerdings praktisch nichtig sind. Die neuen nationalen Klimaschutzzusagen der Weltgemeinschaft hätten hingegen den "Schieber kaum bewegt", erklärte die UNO.
"Der Ehrgeiz und die Maßnahmen reichen nirgends auch nur annähernd an den global benötigten Umfang heran", kritisierte Klima-Expertin Anne Olhoff, die maßgeblich an dem UNEP-Bericht beteiligt war, gegenüber AFP. Damit sind Experten zufolge mehr und heftigere Extremwetterereignisse wie Stürme, Dürren und Überflutungen zu erwarten.Â
Zudem drohen sogenannte Klima-Kipppunkte erreicht zu werden, an denen eine weitere Beschleunigung des Klimawandels in Gang gesetzt wird. So ist die Erde durch ihre bisherige Erwärmung bereits zu warm für ein dauerhaftes Überleben der tropischen Korallenriffe geworden. Wenn die Erderwärmung nicht auf deutlich unter zwei Grad begrenzt wird, dürfte dies schwere und dauerhafte Folgen für die Eisschilde an den Polen und den Amazonas-Regenwalds haben.
UNEP-Chefin Inger Andersen erklärte, das Zeitfenster für die Verringerung der Treibhausgas-Emissionen werde immer kleiner - und das in "einem herausfordernden geopolitischen Kontext". Die globalen Treibhausgas-Emissionen nehmen allerdings weiter zu - 2024 war es laut dem UN-Bericht ein deutlicher Anstieg um 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dazu trug vor allem Indien bei, gefolgt von China, Russland und Indonesien. Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) waren laut UNEP für drei Viertel der Emissionen verantwortlich und von den sechs weltgrößten Emittenten reduzierte 2024 nur die EU ihren Treibhausgas-Ausstoß.